Freitag, 1. Februar 2013

Joseph Roth und Henny Porten

Henny Porten. Quelle: collettesaintyves


Die Schauspielerin Henny Porten kommt mehrfach im journalistischen Werk Joseph Roths vor. So im Artikel “Knigge im Film”, in dem er die überraschend verfeinten Sitten der Bewohner des weltentrückten, kleinen deutsch-mährischen Städtchens S. beschreibt. Anstelle des erwarteten “spießbürgerlich-soliden Stadtlebens” stieß Roth auf “einen regelrechten Vormittagskorso auf dem rechteckigen Rathausplatz (…). Junge Damen in modernsten Gewändern, Herren und Herrchen in Kleidern nobelster Fasson und großstädtischen Zuschnitts und selbst ein Herr mit einem Monokel. Man denke: ein Monokel!” 

Bis ihn ein regnerischer Sonntagnachmittag ins Kino und auf die Lösung des Rätsels brachte. 

“Ich sah dichtgefüllte Reihen und aufgeregte Premierenstimmung beim Publikum. Junge Mädchen mit glühenden Blicken. Gymnasiasten mit würdevollem Ernst, gespannt den Ereignissen des Dramas folgend. Jede Handbewegung, jeder Augenaufschlag des Helden oder der Heldin wurde von der zuschauenden Jugend geradezu verschlungen. Und ich verstand den erzieherischen Einfluß des Kinos auf die Jugend dieser Kleinstadt. Plötzlich war ich sehend geworden: Daher hatten die Frauen dieses kokette Mienenspiel, jenes hoheitsvollherablassende Kopfnicken, wenn man sie grüßte. Das kleine Laufmädel benahm sich wie eine Dame. Die blonde Verkäuferin des Papiergeschäftes in der Ecke mimte eine Prinzessin. Der Alltag war Film geworden. Das nüchterne kleine Ereignis - Szene. Und sie selbst, all diese kleinen Männlein und Weiblein, waren Helden und Heldinnen. Asta Nielsen und Henny Porten, Harry Waiden und Psylander in zehntausend Auflagen. (…) - Wie soll ich mich benehmen? - Ich werd' mir die Henny Porten anschaun! ...”

Die Filmwelt, Wien, 16.5.1919

Auch in “Heimweh nach Prag” spielt Henny Porten eine - wenn auch kleine - Rolle (Roth scheint von seinem Schwarm mehr irritiert als angetan):

“Am Abend sitze ich im Kino. Man gibt den Kolossal-Monumental-Film der Decla Bioscop: ‘Deutsche, trinkt deutsches Bier!’ mit Massenszenen von Lubitsch und Henny Porten als deutscher Heldenmutter, und die Kapelle spielt den Fridericus-Rex-Marsch.”

Prager Tagblatt, Prag, 25.12.1924

“Die Künstlerin Henny Porten habe ich in vielen Filmen schätzen gelernt.”

Vorwärts, Berlin, 12.1.1923

Henny Porten (1890-1960) war ein Star des deutschen Stummfilms, vermutlich einer der beliebtesten überhaupt. Sie spielte in mehr als 170 Spielfilmen zwischen 1906 und 1955. In manchen Jahren drehte sie zwölf Filme. Ihre Karriere fand eine jähe Unterbrechung während der Nazidiktatur, da ihr Mann, Wilheim von Kaufmann, Jude war. Sie ließ sich nicht scheiden, ihre Emigration wurde wegen möglicher negativer Publizität beim Volk nicht zugelassen.


Henny Porten in "Der Ruf der Liebe", 1916





Henny Porten auf einer Fotografie von Nicola Perscheid. Quelle: wikipedia
 Alle nicht angegebenen Bildquellen: virtualhistory

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