Weit, ganz weit entfernt
vom Zentrum der Stadt liegt der Friedhof. Fern vom linken Ufer der Seine und
vom Café Tournon und dem Platz, auf dem einst das Hotel Foyot stand, den man nach
dem Abriss des Hotels mit ein paar Bäumen und einem ausdruckslosen Gebäude gefüllt hat. Wie eine schmerzende Zahnlücke
mit einer billigen Plombe.
Zu diesem weit
entfernten Friedhof führt eine Linie der
Métro. Auf dem Plan ist sie ein langer, schnurgerader Strich Richtung Süden. Fast
scheint sie bis Marseille zu reichen, und endet doch in einem Pariser Vorort. Viele
kleine Kreise auf der Linie stehen für viele Stationen. Man muss nicht aufpassen,
wann man aussteigen muss, denn man fährt bis zur Endstation.
Dort steigt man in die neue Straßenbahn, die silbern und stromlinienförmig einem Train à Grande Vitesse gleicht, und doch nur eine Haltestelle nach der anderen durch die Vorstadt abklappert. Vorbei an Wohnhäusern, Tankstellen, niedrigen Wohnblöcken, Lagerhallen, Autohändlern und Einfamilienhäusern.
Dort steigt man in die neue Straßenbahn, die silbern und stromlinienförmig einem Train à Grande Vitesse gleicht, und doch nur eine Haltestelle nach der anderen durch die Vorstadt abklappert. Vorbei an Wohnhäusern, Tankstellen, niedrigen Wohnblöcken, Lagerhallen, Autohändlern und Einfamilienhäusern.
Man steigt beim
McDonald’s aus, gegenüber dem Friedhofseingang. Nicht ein Kreuz auf einem Kirchturm
wacht über die Toten, sondern ein riesiges, meilenweit in den Himmel ragendes
und golden strahlendes „M“.
Um in den Friedhof zu
gelangen, muss man einen Wächter und einen Schlagbaum passieren. Wie an einem
Grenzübergang. Kontrolliert und instruiert spaziert man durch eine breite,
lange Allee. Wäre sie nicht so ausgestorben, könnte man sich im Wiener Prater
wähnen. Ein Stück Heimat für den in der Fremde Verstorbenen.
Das Grab ist leicht zu
finden. Mit seinem grünen Eibenbäumchen sticht es aus dem See aus grauen
Gräbern mit schiefen oder umgefallenen Grabsteinen und eingebrochenen Grabdeckeln.
Es ist ein maßloses, überdimensionales Bäumchen, das aus dem Fußende des Grabes
das aufgewühlte, wogende Gräbermeer überschaut.
Der Stein des Grabes ist
glatt und schwarz-grau-weiß gesprenkelt und sogar noch charmeloser wie das
Haus, das man an die Stelle des Foyot gesetzt hat. Zwei Mal schon hat man das
Grab erneuert. Dennoch ist die Inschrift verblasst. In gravierten Buchstaben
aus erlöschendem Gold steht geschrieben:
JOSEPH ROTH
ECRIVAIN AUTRICHIEN
MORT A PARIS EN EXIL
2.9.1894 – 27.5.1939
- - -
Es ist eine Ironie des
Schicksals, dass ein falscher Geburtstag in den Stein graviert wurde. In der
stümperhaften Ausbesserung des Fehlers sind noch die falschen Zahlen zu erkennen.
Einem Mann, der aus seiner Herkunft ein Leben lang eine Legende gemacht hat,
hat man ein undeutliches Geburtsdatum geschenkt.
Vor 75 Jahren wurde
hier gebetet und gestritten. Juden und Katholiken, Kommunisten und Monarchisten
wollten alle einen Anteil am Ruhme Roths. 2014 trennt uns Besucher des Grabes
nichts, sondern sind wir vereint in der Verehrung eines ganz wunderbaren
Schriftstellers und Journalisten.
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Hier einige ausgewählte Fotos des Besuchs von Joseph Roths Grab am Cimetière Parisien de Thiais mit der Internationalen Joseph Roth Gesellschaft am 28. Mai 2014. Die ganze Serie findet sich hier.
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