Joseph Roth: Die Legende vom heiligen Trinker, erste Ausgabe 1939. |
Zum 75. Todestag Joseph Roths, er starb am 27. Mai 1939 in Paris, wollen wir den Umschlag seines allerletzten Werkes zeigen. "Die Legende vom heiligen Trinker" erschien posthum bei Roths Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange. Obwohl nicht autobiografisch, sind doch im Trinker Andreas Joseph Roth selbst und im distinguierten Herrn sein Freund und Unterstützer Stefan Zweig zu erkennen. Roth beschließt die Erzählung mit dem Satz:
"Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod."
Seinem literarischen Schöpfer war weder ein leichter, noch ein schöner Tod beschieden. Mit Andreas teilte er nur den Anfang vom Ende: beide sollten sie in einem Café zusammenbrechen. In Paris, unter Freunden, trinkend.
Andreas, der mit seinem Freund Woitech am Trinken war,
glaubte in dem kleinen Mädchen Therese seine heilige Gläubigerin zu erkennen.
Als er sie anspricht, ereignet sich das sovielste Wunder der Legende. Therese
schenkt ihm zweihundert Francs, worauf Andreas kollabiert.
Der Auslöser des Zusammenbruchs von Joseph Roth war kein Wunder,
sondern ein ganz realer, weiterer Schicksalsschlag, ein letzter Anschlag auf den
gepeinigten Körper und Geist: er erfuhr vom Selbstmord seines Freundes Ernst
Toller. Der sovielste schmerzhafte Verlust in dieser so verlustreichen Zeit.
Woitech und andere Besucher des Cafés trugen Andreas in die
Sakristei der gegenüberliegenden Kirche, wo er still seinen letzten Atemzug tat.
An seiner Seite die kleine Therese. In seiner linken Brusttasche die
geschuldeten zweihundert Francs.
Joseph Roth brachten seine Exilfreunde in ein Armenhospital,
wo man ihn an ein Bett fesselte. Tagelang brüllte er nach Alkohol und rang mit
dem Tod. Man muss kein Alkoholiker sein, um sich die Qualen eines solchen
irrsinnigen Radikalentzuges vorstellen zu können. Delirium Tremens.
Per Post unterwegs zu Roth waren die Druckabzüge der Legende
vom heiligen Trinker. Sein Verleger in Amsterdam, Walter Landauer, hatte keine
Ahnung vom Leiden seines Autors, als er die Abzüge nach Paris schickte. Was
wäre gewesen, wenn sie ein paar Tage früher in Paris angekommen wären? Wenn
Roth sie am Kaffeehaustisch vorgelesen hätte, die Geschichte von Andreas, von
seinem leichten und schönen Tod in der Sakristei? Hätte man den ohnmächtigen Joseph
Roth anstelle ins Hôpital Necker in die Kirche gebracht? An seiner Seite seine
Freunde. In seiner linken Brusttasche die Abzüge mit der Legende vom Heiligen
Trinker?
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